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Innovations-Illusion: Wie wir mit Steuergeld Hightech fürs Museum bauen




Förderwahn oder Fortschritt?

-Warum wir Mittel effizient – und nicht episch lang – einsetzen sollten

 

Zwei Meldungen in einer Woche. Zwei Welten. Und ein wachsender Frust, der sich nicht mehr wegignorieren lässt.

 

Meldung 1: Der Abschluss eines dreijährigen Förderprojekts wird als Erfolg gefeiert. Präsentiert wird ein Demonstrator – ein Gerät, das auf den ersten Blick schick aussieht, aber auf den zweiten Blick exakt nichts mit den Anforderungen der realen Welt zu tun hat. Der Praktiker sieht es sofort: Das Teil wird niemals im Terminalalltag bestehen. Es wurde nicht dafür gebaut. Es wurde fürs Projekt gebaut. Dem Demonstrator sieht man an, dass er für Friedhofswege im Sonnenschein entworfen wurde – nicht für Gleisschotter, Schietwetter mit Regen, Sturm und Salzwasser und 24/7-Betrieb.

 

Und während man versucht, dem Ganzen noch technischen Respekt abzugewinnen, bleibt am Ende ein bitterer Nachgeschmack:

Deutsche Ingenieurskunst hat in drei Jahren herausgefunden, wie man ein gleichförmiges, immer gleich schweres Objekt 91 Grad um eine Achse bewegt. Ernsthaft. Drei Jahre, um ein Problem zu lösen, das man für ein Lehrlingsprojekt halten könnte.

 

Meldung 2: Ein junges Start-up meldet, nur acht Monate nach der ersten Idee bereits den zweiten Prototypen im Einsatz zu haben. Kein Showroom, sondern reale Umgebung. Kein PowerPoint-Projekt, sondern ein MVP mit echtem Feedback, echten Nutzer\:innen, echtem Nutzen.

 

Das bringt uns zur ketzerischen Frage:

Sind viele Förderprojekte wirklich noch Motor für Innovation – oder nur noch Motor für Anträge, Alibis und Anschlussprojekte?


Buzzword-Bingo statt Branchenbedarf

 

Innovationsförderung klingt toll. Aber die Realität ist oft ernüchternd: Viele Förderprojekte orientieren sich nicht am realen Bedarf der Branche, sondern an den Anforderungen der Förderrichtlinie. Es geht nicht darum, ein konkretes Problem zu lösen – sondern darum, einen Antrag zu schreiben, der die richtigen Buzzwords enthält. Wer "nachhaltig", "KI" und "GreenTech" geschickt kombiniert, bekommt die Mittel. Ob am Ende etwas dabei rauskommt, das jemand wirklich braucht? Unklar.

 

Der Demonstrator als Denkmal

 

In der Förderwelt hat sich ein kurioses Phänomen etabliert: der Demonstrator. Angeblich der Beweis, dass etwas funktioniert. Tatsächlich aber oft nur ein hochgeputztes Modell für die Abschlusspräsentation. Viel zu groß, zu teuer, zu instabil oder schlichtweg nicht robust genug für den Alltag. Und genau das ist der Punkt: Wenn das Produkt nur im Projekt funktioniert, war es kein gutes Projekt.

 

Dass man es überhaupt schreiben muss: Ein Gerät, das nicht für die Praxisumgebung gebaut ist, ist kein Fortschritt. Es ist ein Ausstellungsstück. Ein Mahnmal der Verfehlung. Und wenn man dann den überstrapazierten Vergleich bemüht, was in Asien oder auch in Boston im Bereich Robotik in den letzten drei Jahren passiert ist – dann wird’s wirklich bitter. Dort sprechen wir von echten Robotiksystemen mit Autonomie, Reife, Praxiseinsatz – und vor allem: Monetarisierung. Da wird ein ROI erwirtschaftet. Da rechtfertigen sich öffentliche Gelder durch Impact, nicht durch hübsch gelayoutete Abschlussbroschüren.

 


Drei Jahre Forschung für die Tonne?

 

Natürlich braucht Forschung Zeit. Aber nicht jede Idee muss mit jahrelangen Studien und Techniklaboren durch dekliniert werden, bevor man rausfindet, ob sie überhaupt nützt. In der Zeit, in der manche Konsortien noch am ersten Funktionsmuster feilen, hat ein agiles Start-up schon zwei Produktzyklen durchlaufen. Mit echten Kunden. Mit echtem Input. Mit echtem Fortschritt.

 

Ganz offen gesagt: Ich begleite lieber drei Start-ups ein Jahr lang – mit all den Risiken und Chancen – als ein einziges Projekt über drei Jahre, das sich am Ende vor allem selbst verwaltet. Selbst wenn das Start-up scheitert, bringt es mehr Lerneffekte.

Fail fast. Try again. So funktioniert echte Innovation. Den Rant zur deutschen Fehler- und Scheiterkultur gibt’s übrigens bald auch auf diesem Kanal.

 

Anschlussprojekte als Selbstzweck

 

Viele Förderprojekte führen nicht zur Marktreife, sondern zum nächsten Förderprojekt. Der Demonstrator ist kaum abgebaut, da wird das Anschlussprojekt schon beantragt. Neue Anträge, neue Mittel, neues Spiel. Nur: Wer zahlt am Ende die Rechnung für diese institutionalisierte Innovationssimulation? Die Gesellschaft. Die Unternehmen. Die Steuerzahlenden. Und: die Glaubwürdigkeit echter Forschung.

 

Spin-offs? Ja bitte – aber mit Substanz.

 

Es gibt hervorragende Förderprojekte. Die, aus denen ein Spin-off entsteht, das wirklich etwas kann. Die, bei denen ein Team mit Begeisterung, Fokus und Marktverständnis arbeitet. Die, die etwas für die Branche tun – nicht nur fürs Portfolio. Diese Projekte verdienen jede Unterstützung. Aber es braucht den Mut, zwischen Leuchtturm und Lichterkette zu unterscheiden. Nicht jeder Scheinwerfer zeigt den Weg.

 

Mein Vorschlag: Schlanker. Schneller. Praxisnäher.

 

Ich bin selbst andauernd auf der Suche nach spannenden, zukunftsfähigen Projektideen – gerne auch gefördert, wenn sinnvoll. Aber ich will keine Projekte mehr, die nur existieren, weil es Förderung gibt. Ich will keine Förderung, die nur existiert, um Projekte zu erzeugen. Ich will:

 

Use Case first. Antrag second.

Realtest vor Endbericht.

Quick and dirty statt schick und nutzlos.

Pilotprojekte mit echtem Risiko, nicht vorgeplante Erfolgspfade.

Denn nur so entsteht das, was die Branche wirklich braucht: robuste, skalierbare, sinnvolle Innovation.

 

 

Wenn du auch das Gefühl hast, dass der Innovationsbegriff in der Förderwelt zu oft zur hohlen Phrase verkommt, dann lass uns reden. Vielleicht entwickeln wir gemeinsam das nächste Projekt. Eines, das funktioniert. Nicht nur für den Bericht.

 


 
 
 

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